Das Großprojekt Digitalisierung in Deutschland ist, so vielfach aus der Presse zu entnehmen, keinesfalls so weit gediehen, wie man sich das allgemeinhin wünschen würde. Die Corona-Krise, mit der wir nun bereits seit einem Jahr leben, hat dies teils schmerzhaft verdeutlicht.

Defizite bei Schulen und Behörden waren dabei offensichtliche Beispiele und sorgen noch immer für Verdruss. Wären wir auch hier schon auf dem Stand der Dinge, hätten wir unsere Reaktionsgeschwindigkeit auf Herausforderungen der Corona-Krise nicht enorm verbessern können? Nun, sicher, dazu gehört mehr als das Einrichten eines tragfähigen WLANs und dem Zugang aller Lehrer:innen und Schüler:innen zu Online-Lehrangeboten. Dazu gehören auch angepasste Prozesse.

Die freie Wirtschaft hatte diese Wandlungsfähigkeit im letzten Frühjahr eindrucksvoll bewiesen und sich in kurzer Zeit den Herausforderungen des Arbeitens unter Pandemie-Bedingungen gestellt. Wir wollen hier zeigen, wo digitale Transformation und digitale Angebote im Allgemeinen darin geholfen haben, das Arbeiten aufrechtzuerhalten und zu stärken.

In der Bertelsmann-Studie „ZUKUNFTSSTUDIE MÜNCHNER KREIS – Sonderstudie zur Corona-Pandemie“ [1]von Juli 2020, die sich auf den ersten Lockdown bezog,  wird u.a. danach gefragt, wo in der eigenen Organisation durch die Corona-Pandemie die größten Veränderungen spürbar wurden. Die drei meistgenannten Antworten betrafen die interne Kommunikation, Zusammenarbeit und Umgang im Kollegenkreis sowie die Kundenkommunikation.

Die interne Kommunikation wurde aufgrund der geforderten Auflösung der Präsenzkultur und Förderung von Homeoffice wann immer möglich erstmal auf den Kopf gestellt. Schnell etablierten sich Video-Konferenz-Tools verschiedener Anbieter und nach einem Jahr – in dem nicht Wenige den direkten Kontakt mit Kolleg:innen und Partner:innen vermissen – haben sich doch die Prozesse eingespielt und es haben sich Spielregeln für erfolgreiches Virtual Conferencing etabliert. 92% der Befragten geben in besagter Bertelsmann-Studie an, dass sie auch nach der Krise mit virtuellen Konferenz-Tools rechnen.[2]

Videointerviews waren und sind im Lockdown auch das Mittel der Wahl, um mit Bewerber:innen  den Bewerberauswahlprozess so gut wie möglich aufzufangen. Inwieweit sich diese Möglichkeit auch nach der Pandemie durchsetzt, ist fraglich. Schließlich fehlt Kandidat:innen und Entscheidern der unmittelbare, vor-Ort-Eindruck eines analogen Vorstellungsgesprächs, das Persönliche, das Erleben einer neuen Umgebung bzw. das Erleben eines potentiellen Mitarbeiters in seiner/ihrer möglichen neuen Arbeitsstätte. Es wird sich zeigen, ob die Entscheidung über eine Einstellung via Videointerview blinde Flecken aufweist bzw. ob und wie sie in Zukunft auf Basis der bisherigen Erkenntnisse angepasst wird.

Nach erfolgter Einstellung haben sich viele Unternehmen und ihre neuen Mitarber:innen die Frage gestellt, wie Onboarding im Lockdown funktioniert. Schließlich waren und sind viele Ansprechpartner im Homeoffice gebunden und können weder vor Ort und gemeinsam in Technik und Prozesse einführen, Kontakte ermöglichen noch die Arbeitsumgebung näher bringen. Herausforderungen setzen Kreativität frei und so wurde das Virtual Onboarding kreiert. So wird abgesichert, dass neue Mitarbeiter (überhaupt) starten können. Der Start erfolgt trotzdem unter spürbar erschwerten Startbedingungen, was insbesondere Freelancer, deren Projekte oft auf eine knapp bemessene Zeit ausgelegt sind, zu spüren bekommen. Wir haben Rückmeldungen erhalten, dass es schwieriger ist, sich einen Überblick über das Arbeitsumfeld, Produktionsstätten etc. zu verschaffen und dass es viel mehr Zeit braucht, wichtige Ansprechpartner zu identifizieren.

Das Onboarding muss also dieser neuen Situation gerecht werden und solche und ähnliche Schwierigkeiten auffangen. Ganz praktische, lebensnahe Tipps zur ersten Orientierung können Sie im Beitrag „Remote Onboarding: Tipps für das virtuelle Onboarding“[3] von haufe.de nachlesen: vom Willkommenspaket, über Zugangsvoraussetzungen und Herstellen einer „Willkommensatmosphäre“ bis hin zur gelungenen Mitarbeiterbindung. Klar ist, Kultur und Dynamik des Virtual Onboardings ist anders als die gängige Herangehensweise. Aber auch hier stellt sich die Frage, inwieweit ein guter Virtual Onboarding-Prozess in einer Zukunft, in der damit gerechnet werden kann, dass sich Arbeit flexibler und von der Präsenzkultur losgelöster gestalten wird als vor der Pandemie[4], nicht zum Schlüsselfaktor wird, um weiterhin eine erfolgreiche Integration neuer Mitarbeiter:innen abzusichern.

Welche Erfahrungen haben Sie im letzten Jahr gemacht? Wo haben Ihnen digitale Lösungen das Arbeitsleben erleichtert oder erschwert?

[1] https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/user_upload/ZukunftsstudieVIII_Sonderstudie_Corona_final.pdf, 15.03.2021

[2] Ebd., S. 10

[3] https://www.haufe.de/personal/hr-management/digitales-onboarding/remote-onboarding-tipps-fuer-das-virtuelle-onboarding_80_521338.html

[4] https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/user_upload/ZukunftsstudieVIII_Sonderstudie_Corona_final.pdf, 15.03.2021, S.10